Olga Pona zeigte im
Tanzhaus nrw in einem Doppelprogramm zwei ihrer Choreografien, die
deutsche Erstaufführung des 80-minütigen "The other Side of the River" und
das 30-minütige "Waiting" von 2002. Olga Pona und ihre Kompanie sind in
Chelyabinsk, einer russischen Industriestadt in Sibirien beheimatet, und
so finden sich nicht nur Anspielungen auf die russische Mentalität,
sondern auch sibirische Folkloreelemente in ihrem Werk.
In "The other Side of the River" beschwört Olga Pona Bilder einer
vergangenen Zeit, ihrer eigenen Jugendzeit in den 60-ern des vorigen
Jahrhunderts, als es noch Dampfbügeleisen gab, die nicht elektrisch
betrieben wurden und die nun die Bühne in einen wunderbaren Nebel hüllen,
als man mangels Rollschuhen Möbelroller umfunktionierte, der Wodka und die
Zigaretten im Wechsel ausgetauscht wurden. Es sind einfache,
unspektakuläre Alltagsszenen, die da auf die Bühne gebracht werden, die
aber dennoch durch die dynamische Choreografie einen fröhlichen Charme
verbreiten. Der Fluss wird nur in einem allzu kurzen Moment thematisiert,
wenn das Schwimmen mit Schwimmflossen angedeutet wird. Und so entpuppt
sich der Titel dieses Tanztheaterstückes denn auch als Synonym für die
Sehnsucht nach einem anderen Leben.
In "Waiting" wird diese Sehnsucht nach etwas Anderem ebenfalls angedeutet.
Warten ist hier nicht das ungeduldige, sauertöpfische Warten des Westens,
auch nicht das zögerliche Warten der tschechowschen Figuren, die nicht zur
Änderung ihrer Lebensverhältnisse bereit sind, sondern das der sibirischen
Steppe, von Geduld und Gelassenheit getragen. Viele kleine Momente werden
mit Tempo und Präzision zugleich vorgebracht. Beispielsweise zwei Frauen,
die im Winter Löcher in eine vereiste Fensterscheibe hauchen, die sommers
fröhlich aus dem Fenster schauen, und einem Genrebild gleich den Kopf auf
die Arme geschmiegt haben. Auf was warten sie? Auf den Frühling, darauf,
dass jemand auf einen Plausch vorbeikommt? Es ist eher das Warten um des
Wartens willen, ein Warten, das frohgemut angenommen wird. "Waiting"
bedient sich vieler folkloristischer Elemente, sei es in der Musik, der
Kostümierung oder auch der Szenenthematik und entfaltet so einen ganz
eigenen poetischen Reiz.
In beiden Stücken zeigt sich, dass Olga Pona eine ganz eigene
choreografische Sprache gefunden hat. Souverän bedient sie sich der großen
russischen Ballett- und Athletiktradition, die sie soweit abgewandelt hat,
dass man sie in ihrer Choreographie nur noch erahnen kann. |